Zimmerflucht

zur Produktion THE GHOSTS WITHIN / aus Publikation zu den Wiener Festwochen 2018

Frank Zappas höhnische Musikalisierung des Satzes „It can’t happen here“ stammt von 1966. „It can’t happen here“ war ein Slogan mit dem man sich in den USA während der 30er Jahre beruhigte: Faschismus kann es hier nicht geben. Mittlerweile weiß man, es gibt ihn (in der einen oder anderen Form) mittlerweile hier, dort und (fast) überall, um die Beatles zu zitieren, und hier schon wieder. Zappa, Carla Bley, John Cale und Laurie Anderson sind aber mittlerweile auch richtige Festwochenkünstler*innen. Sie verbinden alle Künste der letzten 50 Jahre mit dem Pop-Song; den Pop-Song wiederum mit Geschichten, die weit über seine drei Minuten hinaus reichen, aber ohne mit der Form zu brechen: zum Kampf gegen Antisemiten und andere Nazis ebenso wie in ein pakistanisches Hotel, in dem Hippiedichter romantisch verrecken oder zu radikalen Nullpunkten der Künste während der 1960er Jahre im frühen Minimalismus. Pop-Songs sind nicht mehr neue, junge Dinger, sondern Gravitationszentren in der Mitte der Geschichte, stärker, schlimmer und schöner als schwarze Löcher: sie mahnen die Geschichte – bevor diese anfängt, in Spiralen um das Konzept ihrer Wiederkehr herumzuschleichen oder direkt auf die dämliche Idee kommt, anderswo zu geschehen und Angst und Schrecken zu verbreiten. Auch Robert Wyatt ist dabei und hat nicht nur solche transgravitätischen Pop-Songs geschrieben, sondern war selbst schwarzes Loch oder verlassenes Zentrum: „Wann sind Sie aus der kommunistischen Partei ausgetreten?“, wurde er gefragt. „Gar nicht, sie hat sich um mich herum aufgelöst“. Das beharrliche Insistieren auf den Ort, von wo aus man wenigstens noch sehen kann, wo es falsch läuft. Das kann nicht hier sein; denn hier geschieht es ja bereits. Dann aber wo? In der Zuflucht. Am Fluchtpunkt. Ein Mix ist ein Medley ist eine Suite ist eine Zimmerflucht.